Nur zehn Prozent der Bauernhöfe werden von Frauen geführt. Sie haben verstanden: Sie müssen selbst für sich kämpfen und alte Muster brechen. Leichter gesagt als getan.
Nach der Arbeit lackiert sie sich die Nägel. „So sieht man auch die Schmutzränder darunter nicht so“, sagt Veronika Edenhofer und grinst. Trotz des stichhaltigen Arguments sieht man Nagellack in ihrem Beruf eher selten: Die 24-Jährige ist Landwirtin, sie führt allein einen Betrieb nahe Epfach, westlich von München. 85 Milchkühe, 130 Hektar Land.
Als sie den Betrieb nach einem Unfall ihres Vaters übernommen hatte, musste sie sich oft dumme Sprüche anhören. „Jetzt haben wir endlich jemanden, der die Brotzeit servieren kann“, hieß es im lokalen Molkerei-Aufsichtsrat, wo sie die einzige Frau ist.
Jahrzehntelang war die Arbeit auf den Höfen klar getrennt: in Land- und Hauswirtschaft, in männlich und weiblich. Männer schufteten auf dem Acker, Frauen kümmerten sich um Kinder, Küche und Kuhstall. Ohne ihre Arbeit hätten die Höfe nicht funktioniert, doch ihre Rolle spielten sie im häuslichen Bereich. Immerhin steht in zehn Prozent der Betriebe eine Frau an der Spitze. Doch die Zahl stagniert seit zehn Jahren. Junge Landwirtinnen versuchen, die Branche umzukrempeln.
Allein unter Männern finden sich Betriebsleiterinnen wie Veronika Edenhofer häufig wieder. Für die Allgäuer Festwoche in Kempten haben die Kollegen sie gebeten, den Stand zu übernehmen, weil sie im Dirndl mehr hermache als die Männer in Lederhosen. Edenhofer lacht darüber, sie sagt: „Über sowas muss man drüberstehen.“
Christine Katz ist Gastprofessorin für Gender und Nachhaltigkeit in den Agrarwissenschaften an der Universität Göttingen. Sie beschäftigt sich mit dem Verhalten von Frauen in männlich dominierten Berufen. Edenhofers Verhalten sei typisch. „Frauen in Männerdomänen stechen durch ihr Geschlecht immer schon heraus – sie versuchen, dies durch ihr Verhalten abzuschwächen”, sagt Katz.
Sexistische Witze bewusst zu überhören oder abgeklärt zu tun, sei Teil der Strategie. „So definiert die Frau, auf die der Spruch zielt, ihre eigene Betroffenheit weg.“ Es gehe auch darum, Erwartungen zu entsprechen, sagt die Sozialpsychologin Franziska Ehrke. Sie forscht zu Frauen und Führungspositionen: „Mädchen lernen schon sehr früh, welches Verhalten man von ihnen erwartet.“
Landwirtinnen sind schlecht erforscht
Die Studienlage zu Landwirtinnen ist schlecht. In Bayern erhob zuletzt vor zwölf Jahren eine Studie, wie es um bäuerliche Familienbetriebe steht. Diese Lücke will die aktuell laufende „Bäuerinnenstudie“ schließen, Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen.
Auch bundesweit wirkt man dem Datenmangel endlich entgegen. Das Landwirtschaftsministerium fördert die „Landfrauenstudie“, die Ende 2020 abgeschlossen sein soll. Sie erforscht, warum nach wie vor sehr viel weniger Frauen als Männer landwirtschaftlich arbeiten – nicht nur unter Betriebsleiter*innen.
Wer einen Betrieb übernimmt, besucht zuvor eine Landwirtschaftsschule. Dort lernen Schüler*innen, wie man Tiere füttert, Getreide anbaut und Mitarbeiter*innen führt. Der Frauenanteil entspricht etwa zehn Prozent – genau wie später unter Betriebsleiter*innen.
„Höfe werden noch immer eher dem Sohn als der Tochter vererbt.“
Josef konrad, leiter der landwirtschaftsschule pfaffenhofen
Josef Konrad, Leiter der Landwirtschaftsschule Pfaffenhofen, führt das auf eine alte Tradition zurück: „Höfe werden noch immer eher dem Sohn als der Tochter vererbt.“ Auf anderem Weg sei es fast nicht möglich, an einen Hof zu kommen. Und als Außenstehende*r hegt man auch selten den Wunsch, in die Landwirtschaft einzusteigen.
Agrarwissenschaftliche Studiengänge bergen für Absolvent*innen dagegen mehr Möglichkeiten als die Betriebsleitung, an die so schwer heranzukommen ist. Folglich liegt hier der Frauenanteil im Schnitt bei 50 Prozent. Brigitte Poppenberger nahm mit zwanzig aus genau diesem Grund das Studium auf: Der Gartenbaubetrieb ihrer Eltern ging an ihren jüngeren Bruder. Obwohl dieser ihn nicht wollte und sie gerne übernommen hätte. Obwohl sie und ihr Bruder nach der Schule die gleichen Voraussetzungen hatten.
„Er hatte überhaupt keine Wahl“, sagt Poppenberger. „Das war wie in der Monarchie.“ Poppenberger wählte stattdessen die Wissenschaft. Heute ist sie Professorin für Biotechnologie gartenbaulicher Kulturen an der Technischen Universität München.
Raphaela Lex hört am liebsten Bayern3, während sie Mähdrescher fährt. Fotos: Franziska Pröll
Bernadette Lex stand kein Bruder im Weg. Die zweite von vier Schwestern wuchs auf dem elterlichen Biohof auf und erhielt ihn am Leben, als ihr Vater schwer krank war. 2010 übernahm sie den Betrieb in Emling, nordöstlich von München. Schwester Raphaela stieg nach der Ausbildung zur Landwirtin mit ein. Gemeinsam bauen die Frauen nun Dinkel, Buchweizen, Sojabohnen und weitere Getreidesorten auf einer Fläche von 200 Hektar an. Das Mähdrescherfahren ist für beide Frauen das Schönste an ihrer Arbeit.
„Im Umkreis wissen alle, dass bei uns Frauen was zu sagen haben“, sagt die 41-jährige Bernadette Lex. Wenn sie gleich qualifiziert sind wie männliche Bewerber, stellt sie bevorzugt Frauen ein. Zu den Auszubildenden zählt eine 19-Jährige, die Mutter eines kleinen Kindes ist. „Mich ärgert es, wenn jemand wie sie keine Chance bekommt“, beschreibt Bernadette Lex, die selbst gerade schwanger ist.
Natürlich falle die junge Mutter manchmal aus, weil das Kind krank ist. „Da muss man halt umplanen, aber das geht schon.“ Bei anderen Betrieben vermisst sie die Bereitschaft, auf spezifische Bedürfnisse von Frauen zu reagieren – zum Beispiel während der Mutterschaft. „Wenn ich etwas körperlich nicht schaffe, hole ich mir Unterstützung.“
Bernadette Lex ist die doofen Sprüche leid. Deshalb hat sie beschlossen, Frauen zu stärken. 40 Biolandwirtinnen kamen bei den Ökofeldtagen, einer Fachmesse im hessischen Frankenhausen, auf ihre Einladung hin zusammen. Es war das zweite Treffen deutscher Biolandwirtinnen.
Im Deutschen Bauernverband sitzen ausschließlich Männer im Präsidium, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) hat immerhin eine Doppelspitze aus Mann und Frau. In der Landwirtschaft selbst ist davon noch nichts zu sehen. Gezielte Maßnahmen für Landwirtinnen sind auch aus der Politik nicht in Sicht. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.
Als Veronika Edenhofers Mutter mit ihr schwanger war, musste sie sich oft anhören: „Ach schade, schon wieder ein Mädchen. Ihr habt ja immer noch keinen Hoferben.“ Heute, so sagt sie, kann sie diesen Leuten ins Gesicht lachen und sagen: „Da habt ihr’s. Jetzt gehört der Hof mir!“
Autor*innen
Franziska weiß jetzt, wie musikalisch Mähdrescher sind – ausgestattet mit eigenem Radio in der Kabine.
Larissa erwog während der Recherche, den Klingelton ihrer Protagonistin zu kopieren: das laute Muhen einer Kuh.